Die Erkenntnisse aus der großen deutschen EPILOC-Studie werfen ein neues Licht auf das Post-COVID-Syndrom (PCS).

Während fast 30 % der von COVID-19 betroffenen Personen 6 bis 12 Monate nach der Infektion anhaltende Symptome entwickeln, zeigt sich in den Laborwerten der meisten Betroffenen keine auffällige Pathologie.

Trotz deutlich und messbar eingeschränkter körperlicher Funktionen, wie reduzierter Handkraft und verminderter Atemeffizienz, sowie neurokognitiven Beschwerden bleiben die klassischen diagnostischen Marker unverändert. Diese Diskrepanz – schwere Symptome ohne labortechnische Bestätigung – stellt ein zentrales Problem dar. Während viele Betroffene keine eindeutigen somatischen Ursachen finden, ist ihr Leiden real und tiefgreifend.

Viele Patient:innen mit Post-COVID berichten auch ein bis zwei Jahre nach der akuten Infektion über anhaltende Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, körperliche Schwäche und eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität. Die große deutsche EPILOC-Studie zeigt: Etwa 28 % der Betroffenen erleben eine nur teilweise Erholung – medizinisch messbar in reduzierter Handkraft oder verminderter Lungenfunktion.

Und doch: In den Laborbefunden zeigen sich bei den meisten keine Auffälligkeiten.

Diese Diskrepanz zwischen subjektivem Leidensdruck und routinemäßig erhobenen medizinischen Parametern führt häufig zu Unsicherheit – bei Patient:innen wie Behandler:innen.

Soweit die Aussagen der EPILOC-Studie.

In der psychosomatischen und psychotherapeutischen Praxis ist das eine bekannte Konstellation: Körperliche Symptome ohne zunächst fassbare oder objektivierbare körperliche Ursachen sind nicht neu. Sie treten auch in anderen Krankheitsbildern auf, etwa bei somatoformen Störungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen.

Körperliche Symptome ohne klare somatische Korrelation sind keineswegs Ausdruck von Einbildung, sondern weisen oft auf komplexe neuropsychologische, (psycho-)immunologische oder (psycho- )vegetative Regulationsstörungen hin.

Offenbar sind hier ein umfassenderer diagnostischer Blick - auch durch die interdisziplinäre Erhebung von Befunden - und ein breiterer therapeutischer Ansatz notwendig.

Dem hierdurch gesteigerten Aufwand sind die enormen Folgekosten bei unterbleibender Behandlung - langwierige Krankheitsverläufe mit 'Doctorshopping', Frustrationen, Kränkungen und vermeidbare Ängste und Depression durch Nichtverstandenwerden, und durch die teilweise oder gänzliche Arbeitsunfähigkeit der Betroffenen - entgegenzuhalten

Die Forschung spricht beim PCS mittlerweile von möglichen neuroinflammatorischen und neurometabolischen Prozessen – Erklärungsmodelle, die eine Brücke zwischen Psyche, Gehirn und Immunsystem schlagen könnten.


Was wir brauchen, ist ein offener, ganzheitlicher Blick:, der somatisch präzise und interdisziplinär ist, psychosoziale Gesichtspunkte einbezieht und getragen wird von einer Haltung, die Betroffene ernst nimmt – auch wenn Befunde normal zu sein scheinen.